Spanisch lernen, wiederholen und nicht mehr vergessen
Dieser Tage schrieb mir Brigitte W. aus Stuttgart: „Seit dreizehn Monaten lerne ich nun Spanisch und es gefällt mir sehr gut. Doch ich meine, dass ich nicht richtig vorwärtskomme. Immer habe ich das Gefühl: Je mehr ich lerne, desto mehr vergesse ich.“
Was Brigitte beschreibt, trifft wahrscheinlich auf sehr viele von uns zu – und auch ich gehörte zu dem Kreis, bevor ich beschloss, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.
Inhalt
- Was hat Spanisch lernen mit der so genannten Vergessenskurve nach Ebbinghaus zu tun?
- Was sind die Ursachen für das Vergessen
-
- Grund 1: Wir lernen mit Unlust
- Grund 2: Neugelernte spanische Vokabeln oder Grammatik-Regeln wenden wir nicht an
- Grund 3: Wir halten ein neues Thema für unwichtig
- Grund 4: Wir lernen übertrieben und zu intensiv
- Vergessen ist kein Verlust von Information
- Tipps: Spanisch lernen optimieren
-
- Strategie 1: Wiederholung des Gelernten
- Strategie 2: Lernen - Pausieren - Wiederholen
- Zusammenfassung
Was hat Spanisch lernen mit der so genannten Vergessenskurve nach Ebbinghaus zu tun?
Spanisch Lernen ist – wie jedes andere Lernen auch – mit dem Gedächtnis verknüpft. Und wenn du weißt, wie das Gedächtnis funktioniert und was der deutsche Psychologe Hermann Ebbinghaus über das Vergessen herausgefunden hat, dann kannst du deinen Spanisch-Lernprozess optimieren.
Hermann Ebbinghaus hat in einer Studie nachgewiesen, wie und warum Gedächtnisinhalte schwinden können. Dabei fand er heraus, dass wir uns nach einem Tag nur noch an ein Drittel und nach einer Woche an weniger als ein Viertel erinnern.
Was sind die Ursachen für das Vergessen?
Grund 1: Wir lernen mit Unlust
Häufig erinnern wir uns nicht an spanische Vokabeln oder spanische Grammatikregeln, weil die Aufnahme mit Unlust assoziiert wird.
Ich erinnere mich gut an Situationen, in denen ich – aus welchen Gründen auch immer – genervt war und mich dann mit Spanisch beschäftigte. Im Nachhinein betrachtet war das vertane Zeit, denn mit
meinen Gedanken war ich nicht bei der Sache und emotional auf Ablehnung programmiert. Und deshalb war alles, was ich in diesen Momenten gelernt hatte, für die Katz‘, weil es kurz darauf wieder
verschwunden war.
Grund 2: Neugelernte spanische Vokabeln oder Grammatik-Regeln wenden wir nicht an
Unser Gedächtnis merkt sich, wenn wir Informationen oder Wissen über längere Zeit nicht abrufen. Es schlussfolgert dann, dass wir dieses Wissen nicht benötigen – und lässt es uns vergessen.
Auch hier kann ich aus eigener leidvoller Erfahrung berichten: Immer, wenn ich meinte, aus beruflichen Gründen keine Zeit zum Spanischlernen zu haben und eine Zeitlang das Lernen aussetzte, war ich anschließend gezwungen, weit zurückzugehen, um wieder in das Lernen einsteigen zu können. Ich hatte notwendige Basics einfach nicht mehr im Gedächtnis.
Grund 3: Wir halten ein neues Thema für unwichtig
Wir vergessen spanische Vokabeln oder Grammatikregeln auch, wenn uns Wörter und Leitsätze unwichtig oder unbedeutend erscheinen.
Grund 4: Wir lernen übertrieben und zu intensiv
Auch wenn wir übertrieben und exzessiv lernen, führt das zu einem so genannten Überlernen (over learning), das ebenfalls von dem Prozess des Vergessens betroffen ist. Überlernen verhindert ebenfalls, dass wir spanische Vokabeln und Sprachregeln verinnerlichen.
Wie oft hatte ich in der Vergangenheit den Eindruck: Je mehr ich lerne, umso weniger bleibt davon hängen. Bis ich herausfand, dass ich meinem Kopf einfach zu viel Input zuführen wollte und zu wenig wiederholte.
Vergessen ist kein Verlust von Information
Gut zu wissen: Wenn du spanische Wörter vergisst, heißt das nicht, dass du diese Wörter verloren hast. Es bedeutet, dass andere Informationen sie überlagern. Oder anders ausgedrückt: Deine Spanisch-Gedächtnisinhalte werden durch andere Gedächtnisinhalte gestört.
Tipps: Spanisch lernen optimieren
Zwei wichtige Informationen
- Wie dein Gedächtnis Lernprozesse verarbeitet, hängt stark von deiner Aufmerksamkeit ab.
- Lernereignisse, die emotional besetzt sind, bleiben besser in deinem Gedächtnis haften
Strategie 1: Wiederholung des Gelernten
Leonardo da Vinci formulierte einst: „Ich habe herausgefunden, dass es einigen Nutzen bringt, nachts im Bett zu liegen und in die Dunkelheit zu blicken und dabei im Geist das zu wiederholen, womit man sich beschäftigt hat. Dann versteht man die Dinge nicht nur besser, sondern erinnert sich auch leichter daran.“ Humboldt Matura-Schule
Und Gabriel Wyner schreibt in Fluent Forever: How to Learn Any Language and Never Forget It: „Abstandswiederholung … [ist] außerordentlich effizient. In einem Zeitraum von vier Monaten, in dem du täglich 30 Minuten übst, kannst du damit rechnen, 3600 Karteikarten mit einer Genauigkeit von 90 bis 95 Prozent zu lernen und zu behalten. Diese Karteikarten können dir ein Alphabet, Vokabeln, Grammatik und sogar Aussprache beibringen. Und sie können es tun, ohne langweilig zu werden, weil sie immer herausfordernd genug sind, um interessant und unterhaltsam zu bleiben.“
Wiederholung ist die wichtigste Handlung
Du hast die Möglichkeit, den Prozess des Vergessens zu verlangsamen, indem du die neu gelernten spanischen Vokabeln oder Grammatikregeln in Abständen wiederholst. Was dann passiert, zeigt die folgende Abbildung:
Die Vergessenskurve verwandelt sich in die so genannte Lernkurve (Erinnerungskurve).
Durch regelmäßiges „Üben“ kannst du sicherstellen, dass die im Gehirn gespeicherten spanischen Vokabeln, Grammatikregeln und die Aussprache dir erhalten bleiben. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Nervenverbindungen dauerhaft bestehen bleiben, wenn Verknüpfungen stattfinden, und Verknüpfungen entstehen durch Trainieren.
Nichts anderes machen auch die besten Sportler – tagtäglich trainieren sie, was sie schon können.
Das Wiederholen von spanischen Wörtern ist die wichtigste Aktivität,
wenn du spanische Vokabeln langfristig speichern willst.
Strategie 2: Lernen – Pausieren – Wiederholen
Eine der besten Strategien, um Spanisch zu lernen ist nach meiner Erfahrung, wenn du eine Spanisch-Lektion nur so lange lernst, bis du es gerade eben so beherrschst. Danach pausierst du mit neuem Lernen und wiederholst, was du gelernt hast.
Wenn du diese Schritte mehrfach durchführst, wirst du feststellen, dass der Teil des Vergessens immer geringer wird und sich die Anteile des Verinnerlichten massiv vermehren.
Dieses Phänomen wird insbesondere im Bereich der Erinnerungspsychologie beobachtet. Mit dem so genannten „spacing effect“ meinen die Wissenschaftler einen auf Wiederholungen angelegten Lernprozess. Das bedeutet, dass du mit Unterbrechungen des Lernprozesses in gewissen Abständen die Inhalte deines Spanisch-Lernens weitaus besser aufnehmen kannst.
Zusammenfassung
Halten wir fest:
- Wende deine Spanischkenntnisse regelmäßig an oder frische sie auf. So bleiben sie dir im Gedächtnis.
- Durch mehrfaches Wiederholen wirst du dich nachweislich besser an das aufgenommene Wissen erinnern, den Verlauf des Vergessens abmildern und so deine Spanisch-Lernfähigkeiten drastisch verbessern.
Vergessen ist ein „normaler“ Vorgang, von dem wir alle betroffen sind, den wir aber positiv beeinflussen können. Neben dem Wiederholen gibt es weitere Möglichkeiten, dass „sich erinnern“ zu verbessern. Welche? Darüber schreibe ich in einem meiner nächsten Blogartikel.
Viel Erfolg bei deinem Spanisch-Lernprojekt!
Wie gefällt dir der Artikel?
Ich freue mich über Fragen, Lob, konstruktive Kritik und weitere Anregungen...
Reinhard Schoen
Spanisch-Lerncoach bei SpanischTraining24
Kommentar schreiben
Jutta (Freitag, 21 Juli 2023 21:00)
Ich finde den gesamten Spanisch Block klasse und habe dadurch schon sehr viel gelernt.
Nur leider fehlt mir die Übung zu Sprechen. Wie kann ich dies verbessern? Ich habe einen Tandem Partner. Einmal in der Woche eine Stunde finde ich zu wenig um die Sprache zu festigen
Gruß Jutta
Reinhard Schoen (Samstag, 22 Juli 2023 17:02)
Hallo Jutta,
vielen Dank für deine freundliche Nachricht! Ich freue mich, dass ich dich mit meinen Übungen beim Spanischlernen unterstützen kann.
Mit einem Tandem-Sprachpartner bist du schon auf dem besten Weg, dir sprachliche Fertigkeiten anzueignen. Wenn du mehr Zeit zum Sprechen hast und mehr sprechen möchtest, suche dir noch ein oder zwei weitere Tandempartner.
Ein Blog-Artikel, wie eine erfolgreiche Tandem-Sprachpartnerschaft funktioniert, ist in der Planung. Doch ich gebe dir gerne einige Tipps aus meiner Erfahrung:
Ich habe meine Tandempartner (nur Muttersprachler!) über www.conversationexchange.com (gratis) in Spanien gesucht und gefunden. Eine gute Wahl sind Gesprächspartner oder -partnerinnen aus Städten und Regionen wie Madrid, Castilla-La Mancha oder Castilla y León. Dort spricht man relativ akzentfrei, weshalb du ihr Spanisch wahrscheinlich leichter verstehen wirst.
2 x 30 Minuten pro Sitzung finde ich auch ok. Allerdings sollten davon immer etwa 2 x 15 Minuten für bestimmte, vorbereitete Themen reserviert sein. Hier sind Konzentration und gegenseitige Korrektur wichtige Elemente. Die restlichen 2 x 15 Minuten stünden dann für zwanglosen Austausch zur Verfügung.
Ich empfehle dir Videositzungen über Skype o. ä. Eine App, über die du per Handy zwischen „Tür und Angel“ sprechen kannst, empfehle ich dir nicht. Besser ist es konzentriert über Video zu kommunizieren.
Nebenbei bemerkt: Du kannst auch meine Übungen sprachlich verwenden: Lies beispielsweise eine Übung - eine, die du vielleicht schon gemacht hast - und übersetzte (wie in einem direkten Gespräch) sofort laut ins Spanische. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Übersetzung korrekt ist – das ist es im Gespräch ja auch nie... Danach kannst du sie mit der Lösung vergleichen und gegebenenfalls korrigieren.
Ich hoffe, dass dir meine Antwort weiterhilft und wünsche dir viel Erfolg bei deinem Spanisch-Lernprojekt.
Viele Grüße
Reinhard, Spanisch-Lerncoach bei SpanischTraining24